Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 4/22 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - Kranken - und Pflegeversicherung - Versorgungsbezug - Rückkaufswert - Kapitalleistung - Direktversicherung - Lebensversicherung

Verhandlungstermin 23.04.2024 15:00 Uhr

Terminvorschau

K. S. ./. 1. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche Krankenkasse, 2. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche Pflegekasse
Die 1977 geborene Klägerin war vom 1. Oktober 2003 bis zum 29. Februar 2004 versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. November 2003 begründete ihre Arbeitgeberin bei einem Versicherungsunternehmen eine Direktversicherung mit der Klägerin als versicherter Person und einem (frühestmöglichen) Leistungsdatum 1. November 2042. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wurde die Versicherung zum 1. November 2004 auf die Klägerin als neue Versicherungsnehmerin übertragen. Seit 1. Juli 2004 ist sie als selbstständige Landwirtin bei der Beklagten zu 1. kranken- sowie bei der Beklagten zu 2. pflegeversichert. Neben der Tätigkeit als Landwirtin betreibt sie eine Photovoltaikanlage und erzielt hieraus Einnahmen.

Die Klägerin kündigte mit Wirkung zum 31. Oktober 2019 den Versicherungsvertrag und erhielt am 5. November 2019 einen Kapitalbetrag in Höhe des Rückkaufswerts von 12 341,99 Euro. Dieser beruhte zu einem Teil (771,37 Euro) auf von ihrer früheren Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin entrichteten Beiträgen. Die Beklagten setzten insoweit Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Dauer von 120 Monaten fest (monatlich rund 1,20 Euro). Infolgedessen wurden auch auf die Einkünfte aus außerlandwirtschaftlichem Arbeitseinkommen (Photovoltaikanlage) Beiträge gefordert (monatlich rund 147 Euro).

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat das erstinstanzliche Urteil sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug liege nicht vor, weil die der Klägerin zugeflossene Kapitalleistung in Höhe des Rückkaufwerts nicht der betrieblichen Altersversorgung zugerechnet werden könne. Es habe keine Unverfallbarkeit im Sinne des § 1b Absatz 1 Satz 1 Betriebsrentengesetz vorgelegen. Mit der Kündigung durch die Klägerin habe sie die Rechte aus dem Versicherungsvertrag verloren und es habe gemäß den Versicherungsbedingungen lediglich noch ein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts bestanden.

Mit ihrer Revision rügen die Beklagten eine Verletzung von § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5, Satz 3 SGB V. Die Kapitalleistung sei der Klägerin aus einer Direktversicherung zugeflossen. Einen Teil der vertraglich versprochenen Versicherungsleistung habe sie in Höhe des Rückkaufwerts erhalten. Demzufolge sei der Teil, der auf Beiträgen der früheren Arbeitgeberin der Klägerin als Versicherungsnehmerin beruhe, beitragspflichtig.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Konstanz, S 6 KR 1720/20, 24.09.2021
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 3297/21, 02.08.2022

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Terminbericht

Die Revision der beklagten Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau ist erfolgreich gewesen. Sie hat die der Klägerin am 5. November 2019 zugeflossene Kapitalleistung hinsichtlich des Teils, der auf die Zeit der Versicherungsnehmereigenschaft der früheren Arbeitgeberin der Klägerin zurückzuführen ist (771,37 Euro der Gesamtsumme von 12 341,99 Euro), zu Recht zur Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung herangezogen. Der verbeitragte Kapitalbetrag ist der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen und damit Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 SGB V, weil und soweit er auf der zu Gunsten der Klägerin von deren früheren Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin begründeten Direktversicherung beruht. Dass die Kapitalleistung im vorliegenden Fall nicht infolge des Eintritts des Versicherungsfalls, sondern nach Kündigung der Versicherung durch die Klägerin als späterer Versicherungsnehmerin zur Auszahlung kam, ist unbeachtlich. Entscheidend ist der auf eine Versorgung im Alter oder bei Invalidität gerichtete Zweck der Versicherung, der sich unter anderem aus der vereinbarten Laufzeit ergeben kann. Dieser Versorgungszweck liegt bei der hier streitigen Direktversicherung mit einem frühestmöglichen Leistungsdatum 1. November 2042, also nach Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin, unzweifelhaft vor. Er ist nicht rückwirkend mit der Kündigung der Versicherung entfallen. Sein Fortbestand zeigt sich schon darin, dass der Klägerin nicht nur die geleisteten Versicherungsprämien erstattet wurden. Vielmehr floss ihr der Rückkaufswert als der versicherungsmathematisch berechnete kapitalisierte Zeitwert der Versicherung zu. Die hier noch nicht eingetretene betriebsrentenrechtliche Unverfallbarkeit der Anwartschaft ist entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts beitragsrechtlich unbeachtlich. Sie wirkt sich auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aus. Hier blieb der Klägerin der Vorteil aus den vom Arbeitgeber gezahlten Beiträgen aber erhalten. Da die Teilsumme beitragspflichtiger Versorgungsbezug ist, ist auch zu Recht das daneben erzielte Arbeitseinkommen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage der Beitragserhebung zugrunde gelegt worden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 14/24.

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